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Gedankenbilder.

Von Wert(en) und Pferden.

Wie geht man damit um, wenn wirkliche Werte nichts mehr zählen, der Mensch nichts mehr wert ist, er oder sie an sich nicht?
Ich meine: Sich die suchen, wo es sie noch hat.

Erinnerungen.
Neulich war ich mal wieder in dem Dorf, in dem ich geboren wurde. Abgelegen, ruhig. Nachdem meine Eltern in einen etwas größeren Ort in der Nähe umzogen, verbrachte ich weiter regelmäßig meine Ferien dort, so wie andere Kinder, deren Großeltern noch darin lebten. An Spielkameraden hats so nie gemangelt, an Abenteuern auch nicht.
Natürlich besaßen auch wir kleinere Verpflichtungen, denn auf einem Bauernhof gibt es zu jeder Zeit viel zu tun. Und viel Geld hatten meinen Großeltern auch nicht. Aber ein angenehmeres Leben als vorher, im Kapitalismus. Sagten sie selber.

Und wir Kinder hatten das ganze Dorf, die umliegenden Wäldchen, Felder und Wiesen für uns, bis wir müde ins Bett fielen. Gemeinsam suchten wir auf Dachböden, in Scheunen und Ställen nach verborgenen Schätzen, bewältigten Mutproben, füllten unsere Taschen und Mägen mit Schoten, Kirschen, Walderdbeeren oder Äpfeln und Pflaumen, je nach Saison, während wir über die Felder liefen. Auf diese Weise mundete es doppelt.
Nach dem Gewitterguss sprangen fast alle Kinder auf der Straße herum, denn die gepflasterte Rinne in deren Mitte neben den Rotdornbäumen, verwandelte sich dann öfter mal in einen Bach. Und gegen Abend gehörten Spiele auf der Dorfstraße zum festen Programm, bis die Omas aus dem Fenster riefen, dass es Zeit wäre, heimzukehren.
Der einfache Hefe-Napfkuchen meiner Oma mit „Muckefuck“ und Zucker drauf: Lecker. Genau wie der Kakao mit wirklich frischer Milch oder die gute Wurst. Denn das gehörte zu dieser, unserer Freiheit.
Den Duft dieses Kuchens und der geräucherten Knackwürste im ganzen Haus werde ich nie vergessen.

Eine Kindheit im Sozialismus, ganz andere Werte, nur ein paar Jahrzehnte her. Und doch mutet es an, als wären Jahrhunderte seit damals vergangen.




Kindheit. Ich selbst auf dem Hof bei den Großeltern.

Von oben. Metebach heute.

Familienfoto. Die Familie der Großeltern (mit Gästen) beim Spaziergang hinter den Gärten des Dorfes.



Ich laufe hinter den Gärten des Dorfes entlang. Es wirkt beinahe idyllisch, aber ich bin mir sicher, das ist es heute selbst da nicht mehr. 
Viel zu ruhig, sagen die Jungen, „am Arsch der Welt“. Keine Einkaufsmöglichkeit, keine Gaststätte, nichts.
War freilich zu DDR-Zeiten anders, zwei Gaststätten, ein Krämerladen (Konsum genannt oder HO), aber gereicht hätte  das den Jungen heute sicher auch nicht, überhaupt all jenes nicht, was uns damals reichte.

Meine Großeltern waren zufrieden, wenn sie „mal auf dem Hintern sitzen konnten“. Gelegentlich kam die Nachbarin vorbei und man spielte Karten. Und irgendwer in der Familie hatte auch immer mal Geburtstag. Ähnlich wars bei den Eltern. Was zählte war, dass kein Krieg herrschte, denn Opa und Oma hatten gleich zwei durchstehen müssen, die Eltern einen und Vater verbrachte auch gleich mal seine gesamte Jugendzeit in Lagern und ohne Heimat. Werte.
Wichtig auch, dass sie und ihre Kinder gesund gewesen sind. Der älteste Bruder meiner Mutter war mit Zwölf verstorben. Dass die Tiere keine Krankheit bekamen, denn auch davon hing ihre Existenz ab.
Aber Esel gehen aufs Eis tanzen.

Meine Eltern hatten übrigens am neuen Wohnort für einige Jahre noch etwas Landwirtschaft betrieben, obwohl Vater hauptsächlich in der Fabrik tätig war. Aber dann hörten sie damit auf, denn in der DDR durfte er tatsächlich das, was ihm in Bessarabien und Polen bzw. während des Krieges verwehrt geblieben war: Einen Beruf erlernen. Den des Schlossers. Dafür gabs staatlicherseits viel Unterstützung und da Betriebe staatlich waren, die nötige Entlastung. Und die Arbeit war obendrein sicher.
Meine Mutter verdiente mit Heimarbeit dazu. So ganz „nebenbei“ baute Vater unser Haus, selber, und dann war da noch der große Garten...
Körperliche Arbeit genug, leider so auch kein Urlaub möglich und für meinen Bruder und mich hieß das anfangs, immer mal bei der Feldarbeit helfen. Dafür hatten wir aber nach dem Unterricht in der Schule genügend Gelegenheit, bei Sport und Spiel unsere Interessen auszuleben, und Klassenreisen gabs ebenfalls.


Die Eltern. Geschafft. Ausruhen nach der Arbeit im Garten.

Die Eltern. Vor dem Haus mit den Enkeln.

Die Eltern. Vater beim Bauen.


Heute würde man uns Kindern von damals genau dafür wohl ein "Trauma" bescheinigen. Und dann hats auch noch „die gestiegenen Ansprüche“.

Bis vor wenigen Jahren konnte ich noch nach einem Spaziergang in einem (schon seit 1928 bestehenden) Berggasthof sitzen, ein Spiegelei auf einem Butterbrot essen (oder ein Eis) und das bei einzigartiger Aussicht! Nachdem der Gasthof aus Altersgründen des  damaligen Eigentümers einen neuen bekam,  reichten dem Nachfolger die normalen Gartenstühle auf der Terrasse nicht mehr, schönere mussten es sein, alles „besser“, und das Essen seiner Ansicht nach „perfekter“ werden.
Der Gasthof ist heute geschlossen, die gestiegenen Kosten... Kapitalismus. Kamen wohl auch nicht mehr so viele Gäste. Ich war danach auch kaum noch dort. Es war einfach nicht mehr das, was es mal war und zuvor so viel Zuspruch hatte.  Und teurer auch.

Genauso toll ist es für mich gewesen (und nicht nur für mich), nach dem Wandern im urigen Tal, gleich dort in einem kleinen Gasthof ein Stück Kuchen zu essen, am bullernden Ofen drin, wenn's kalt war, oder im Sommer halt draußen mit dem plätschernden Bach und dem Wind in den Bäumen als Geräuschkulisse. Himmlisch! Irgendwann passierte dasselbe und dieses sogar historische Kleinod ist schon lange geschlossen, verfällt.

Es geht ihnen "besser" und doch begegne ich heute weit mehr schlecht gelaunten Leuten als früher, aggressiven sogar, und im Ort hats monatelange Baustellen, ewig aufgerissene und hernach idiotisch geflickte Straßen, nur als Beispiel. Unser nett gelegenes Schwimmbad wurde  zeitig zum Thermalbad, was den Ort für Jahre hoch verschuldete. Für Läden und Gewerke gibt’s keine Nachfolger, aber dafür hats ja drei Supermärkte.
Werte. Ich sitze in meinem Garten, denke nach und zurück... Es hat sich viel verändert, zum Guten wars nicht.

Mein Freund, an einem Sonntagmorgen,
Tät sich ein hübsches Rößlein borgen.
Mit frischem Hemd und frischem Mute,
In blanken Stiefeln, blankem Hute,

Die Haltung stramm und stramm die Hose,
Am Busen eine junge Rose,
So reitet er durch die Alleen,
Wie ein Adonis anzusehen.
 
Die Reiter machen viel Vergnügen,
Wenn sie ihr stolzes Roß bestiegen.
   
Nun kommt da unter sanftem Knarren
Ein milchbeladner Eselskarren.
   
Das Rößlein, welches sehr erschrocken,
Fängt an zu trappeln und zu bocken,
Und, hopp, das war ein Satz, ein weiter!
Dort rennt das Roß, hier liegt der Reiter,
Entfernt von seinem hohen Sitze,
Platt auf dem Bauche in der Pfütze.
 
Die Reiter machen viel Vergnügen,
Besonders, wenn sie drunten liegen.
(Wilhelm Busch)




Bis bald.
See you soon
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